Vorspiel
Die ACC Galerie Weimar lud uns 2002 zu einer gemeinsamen Ausstellung ein. Die Galerie - zwölf Ausstellungsräume und die Korridore - teilweise nur Gänge - folgen einer verschachtelten Struktur. Besucher erleben die Galerie häufig als Irrgarten mit unvermutet auftauchenden Ausgängen. Der mittelalterliche Grundriss, der zueinander leicht verkantet gesetzten Gebäude, und die Anordnung der Räume um die zwei Innenhöfe erschließen sich erst vor einem Lageplan. In diesen Gemäuern die schon Goethe beherbergten vermutet der Weimarreisende alles – außer zeitgenössischer Kunst.

Zur Besichtigung der Räume machten wir Probehängungen vor Ort und waren mit der Situation unzufrieden. Die großen Papierarbeiten wirkten im Verhältnis zum Raum überdimensioniert. Die Bilder auf Leinwand bildeten nicht den erwünschten Kontrast. Wir jedoch wollten eine Ausstellung, die unsere Arbeiten sowie den Raum verknüpft.

Nach mehrfachem Erkunden der Räume waren wir sicher, dass wir die komplexe Struktur der Galerie als Matrix für das Konzept unserer Ausstellung nutzen wollten. Der Raumaufbau hat ein Eigenleben das Analogien zu Bibliotheken und Archiven, oder, im sehr vereinfachten übertragenen Sinne, zum menschlichen Hirn evoziert. Damit entstand die Idee unser beider Arbeitsweisen der Ausstellungskonzeption vollständig zu unterwerfen. Architecture of Mind konkretisierte sich durch die Arbeit an diesem ersten Projekt.

Konzept für ACC
Auf der Grundlage eines dreidimensionalen Modells wurde die komplexe Struktur der Galerie unter dem Aspekt einer implementierten Zeitverschiebung durch raumübergreifende Rhytmisierung und Strukturierung rekonstruiert. Große Wandzeichnungen auf der Basis von Konstruktionen und Landschaften überdeckten, störten und verlängerten die Proportion und den Rhythmus der Galerie und fügten so den Räumen andere, autonome Strukturen hinzu. Es entstand eine raumgreifende vielgliedrige Gestalt, die die Räume in einem anderem Zusammenhang verkettet und erscheinen lässt.

Die Galerie scheint durch dieses optische Verwirrspiel Stauchungen und Verzerrungen zu unterliegen. Die neue Strukturierung bildete das verbindliche Rahmensystem, in das an einigen wenigen Stellen kleine Arbeiten in das Raumkonzept integriert wurden, die durch ihren Objektcharakter den Raumeindruck rhythmisierten.

Technik
Wir vermaßen die Galerie penibel und entwickelten maßgeschneiderte Gestaltungskonzepte für die einzelnen Räume. Wegen der Kürze der Um- bzw. Aufbauzeit wurden alle Wandarbeiten auf Papier vorbereitet. Es entstanden acht verschiedene Räume, die mit aus der Architektur entlehnten Elementen Raum- und Gedankensituationen schaffen.

Zugunsten des Projekts verschmolzen wir unsere künstlerischen “Handschriften” miteinander. Die einzelnen Wandbilder erarbeiteten wir gemeinsam. Speziell für die überdurchschnittlich großen Flächen, ca 200 qm, entwickelten wir eine Technik, bei der wir Bienenwachs in großem Maßstab verwendeten und mit Zusätzen von Ölfarben und Lösungsmitteln experimentierten. Hierbei profitierten wir von der fundierten technischen Ausbildung an der HGB Leipzig, wo wir studierten.

Das Ergebnis der Experimente sind Transparenzen und Stofflichkeit sowie eine Behandlung der Fläche, die die Thematik der parallelen Welten befördert. Die Papierbahnen schweben über dem Boden, waren nur angeheftet. Ihr Schatten auf dem Boden unterstreicht den Charakter der Hülle oder zweiten Haut. An einigen wenigen Stellen wurden kleine Arbeiten in das Raumkonzept integriert und rhythmisierten durch ihren Objektcharakter den Raumeindruck. Sie übernahmen die Funktion von kostbaren Wegmarken.

Katalog
Da wir beide neben unserer Malerei auch die Tradition der Leipziger Künstlerbücher pflegen, ergab sich zu diesem Ausstellungsprojekt eine günstige Symbiose in der Gestaltung eines Buches. Die Autoren Meghan Hickey, Tanja Langer und Andrew Patner wurden von uns eingeladen am Buch-Projekt zu partizipieren. Mit Ausnahme von Stanislaw Lem sind die Textbeiträge eigens dafür geschrieben worden. Die Texte entwickelten die Autoren zum Ausstellungskonzept. Stanislaw Lems hintersinnige und humorvolle Erzählung war darüberhinaus ein Ausgangspunkt für die Entwicklung der Idee „Architecture of Mind“.

In der dem Medium Buch eigenen linearen Abfolge wurden Bilder und Texte rhythmisch miteinander verflochten. Es handelt über die ZEIT, und die Wahrnehmung von Veränderungen sei es in der Realität oder im Traum. Die Gleichzeitigkeit und der Rhythmus, der schon allein durch die Seitenfolge gegeben ist, wirkt wie eine Reise auf dem Lemschen Schiff durch Raum und Zeit. Angereichert mit mehreren Biografien, zusammengebunden in der Struktur des Containers (Buch), weist es eine Ambivalenz zu unserem Hirn mit all den Dunkel-sowie Helligkeitszonen unserer Erinnerns auf.
Die Gestaltung der Seiten beeinflusste die Ausstellungskonzeption und umgekehrt.

Nachsatz
Die Arbeit im gemeinsamen Atelier und an gemeinsamen Projekten begann mehr oder minder schon 1998 in Chicago. Dort entwickelten wir zum ersten Mal gemeinsam ein Ausstellungskonzept, das sich mit der Präsenz und Abwesenheit von Heimat auseinandersetzte. „Travel“ konnte nicht realisiert werden. Im Jahr 2000, Ulrike Dornis war gerade nach Berlin gezogen, nahmen wir am Wettbewerb für die U-Bahnstation Alexanderplatz teil. Diese Arbeit ist die Rekonstruktion eines existierenden Kunstwerkes und entwickelte sich im Verlauf zum Projekt Paradiesersatz.

English text
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Einladungskarte für ACC Galerie, Weimar
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Einladungskarte für Galerie Inga Kondeyne, Berlin
invitation
Einladungskarte für Galerie Kleindienst, Leipzig
studio
Atelier in Berlin